really ground zero

textauszug

update

am anfang versuchen sie zu klären, ob das ein „second pearl harbour-day“ ist, darüber muß man sich erst einmal einig werden. ob es ein „really second pearl harbour day“ ist oder nicht. das ist wichtig, da wird noch mal nachgefragt. das ständige anstellen der vergleiche nimmt sich als weiterer panischer versuch einer einbindung des geschehens aus. erst am nächsten tag höre ich die beruhigende aussage: „this is not world war two. we have to be careful with those comparisons.“ aber am tag des geschehens einigt man sich letztlich irgendwie doch zwischen moderator und militärexperten auf pearl harbour. und „pearl-harbour-day-two“ klingt ja auch schon wieder nach kino, also faßlich. ansonsten sagen die reporter noch: „can you tell me, what’s exactly happening there?“ oder: „what’s to do now?“, „what’s next?“ am häufigsten sagen sie aber: „thank’s for your update.“ und „let me update you what’s happened during the last hours.“ - „update“, das ist das wichtigste wort des tages. es impliziert und erspart so die ohnehin ständig gestellte frage: “what’s next?” eine rhetorik, die pragmatismus behauptet, ein vernünftiges handeln, aber deutlich hysterische züge trägt. da fehlen dann nur noch die „fresh videos“, also amateur-videos, die ab dem späten vormittag in den news auftauchen und immer neue ansichten von den flugzeugen bieten, wie sie die towers durchdringen. gezeigt werden auch augenzeugen, fire-workers, die sich durch dieses wahnsinnige pfeifen und diesen asche-regen fortbewegen, langsam gegenstände anheben oder herumirrende menschen ansprechen, und das programm ist perfekt.

„thank you for your update. what’s next?” steht an der spitze einer vielzahl von rhetoriken und audiovisuellen gesten im amerikanischen fernsehen, die ständig ins hysterische oder ins chauvinistische, paranoide umzukippen drohen. da schalten sie beispielsweise auf so krude weise die vermeintlich panikerzeugenden aussagen weg, sodaß umso mehr panik entstehen muß. zum beispiel der arzt, der sagte, daß nicht auszuschließen sei, daß biologische kampfstoffe verwendet wurden und er deswegen prophylaktisch antibiotika eingenommen habe. er benennt kaum das antibiotikum - und schon ist er weg. und wir sitzen schweigsam vor unserem tv, bis hektik ausbricht. alles, was panik erzeugt, wird in diesem pragmatischen diskurs gleichzeitig beschworen und ausgeblendet, sodaß sich die hysterie immer mehr hochschrauben kann. zur beruhigung kommen dann ehemalige polizeichefs, ehemalige senatoren und generäle, „former fbi“ zu sprechen, die ein irgendwie geartetes know-how suggerieren sollen, anscheinend ohne wirklich eine politische oder präzise aussage von sich geben zu können. nur einschätzungen außenstehender, so ahnt man nach einer weile.

oder es wird uns die bedeutung der lage folgendermaßen erklärt: einer spricht von einem „huge wake-up-call for this city!“ und ein anderer sagt: „this was an act of war.“ dieser andere ist george w. bush bei seiner mittwochvormittagsrede. am vortag hat er gesagt: “we will hunt them down!” und „punish those responsible!“ ja, das ist er, unser bush, wie er von anfang an keine unterschiede zwischen staaten, die die terroristen verstecken, und den terroristen macht - na, wenn das nur gut geht, wo doch alles noch relativ unklar zu sein scheint. doch bush wäre nicht bush wenn er nicht bush von allen seiten wäre. eben der starke mann der stunde. der auch genau weiß, wer der feind ist. „einer, der sich feige versteckt.“ und den „wir“ kriegen werden. „good“ and „evil“ werden aufgefahren und fahren gleich wieder ab als trautes paar im immer schon entschiedenen kampf. er sagte dienstags auch den merkwürdigen satz, daß „sie“ das amerikanische stahl nicht wirklich schmelzen könnten. dieses „not really!“, das er hier trotzig als verbale waffe gegen die massive narzistische kränkung amerikanischen nationalbewußtseins hochhält, wird später nur von dem adjektiv „true“ getoppt: „the true symbol of the financial power is gone“.