wir schlafen nicht

textauszug

silke mertens, key account managerin, 37
nicole damaschke, praktikantin, 24
andrea bülow, ehemalige tv-redakteurin, jetzt online-redakteurin, 42
sven prattner, nein, nicht it-supporter, 34
oliver hannes bender, senior associate, 30
herr gehringer, partner, 44

0. aufmerksamkeit

das sei doch nicht interessant. konfliktbeauftragter in sachen israel-palästina, das wäre es. oder diplomaten: französische, amerikanische, britische. generalbeauftragte eben. solche solle man mal fragen, das wäre doch interessant. oder politiker. menschen der internationalen politik. nicht unsere politiker, unsere hauspolitiker, haushaltspolitiker. nein, menschen, die gar nicht so sehr in erscheinung träten, zumindest zunächst, aber in wirklichkeit die fäden zögen.

- oder diese waffeninspekteure.
- herr blix.
- ja, herr blix in bagdad beispielsweise. oder noch nicht in bagdad. oder schon wieder dort.
- oder menschen, die den atomwaffenhandel organisieren. das muß einen doch interessieren so als journalistin.
- ach, keine journalistin? was dann?

1. positionierung

die online-redakteurin: also das reden sei schnell gelernt, „das haste hier ziemlich schnell drauf!“ da sei ja schließlich nichts außergewöhnliches dran, fast hätte sie gesagt „unmenschliches“ - nein, mit dem reden habe sie auch nie probleme gehabt, d.h. am anfang schon, am anfang habe sie den eindruck gehabt, sie werde nie ihre schüchternheit überwinden, da habe sie einfach viel zu viel respekt gehabt, so vor den leuten, so vor den situationen. sie habe dann immer gedacht, die merkten ihre unprofessionalität, dabei bemerkten die ihre unprofessionalität überhaupt nicht. die seien nämlich meist so mit ihrer eigenen unprofessionalität beschäftigt gewesen, denn so ganz professionell seien die wenigsten, aber das habe sie erst später verstanden.

ja, am anfang sei sie schon mal ins stocken geraten, nur mit der zeit komme man eben drauf, wie man so vorankomme im gespräch, bis es „läuft“, und irgendwann falle es einem auch nicht mehr auf, „irgendwann merkst du nicht mehr, daß du am reden bist“, und es dürfe einem auch nicht mehr auffallen, denn sonst entstünde ja so ein leichtes delay, und das könne man natürlich nicht gebrauchen, dieses delay -

und doch: „irgendwann findest du dich vor geschäftsführern und vorstandsvorsitzenden wieder und hast ganz vergessen, daß du mit denen am reden bist.“ eigentlich sei es bei ihr wie von selbst gegangen, daß sie profi geworden sei. nur manchmal noch müsse sie sich am anfang einen kleinen ruck geben und sagen: „ja, man kann mit den leuten reden.“


ob das jetzt das interview sei? „ist das jetzt das interview“, um das gebeten worden sei?

ja, er sei herr gehringer, nur, er wolle da schon sichergehen, daß er sozusagen beim richtigen termin gelandet sei, nicht, daß ihm da einige dinge durcheinanderkämen. und er wüßte auch gerne, mit wem er es zu tun habe, dann könne man ruhig mit den fragen losschießen -

„also schießen sie los!“

ja, jetzt könne man anfangen, er sei bereit, er sei zu allem bereit (lacht), naja, zu fast allem (lacht).


der senior associate: man solle ihn ruhig warnen, wenn er mit zuvielen anglizismen um sich schmeiße, das gehe bei ihm nämlich schon automatisch. manchmal merke er gar nicht mehr, in welchem fachjargon er wieder einmal rede und was für vokabular er wieder rauslasse. das passiere schnell, daß man für außenstehende einfach nicht mehr verständlich sei. gerade an einem ort wie diesem, wo man doch sehr viel mit kollegen spreche.

aber die unverständlichkeit sei ja genau einer der gründe, warum es überhaupt beratungen gebe - weil die unterschiedlichen bereiche eines unternehmens oftmals nicht richtig kommunizierten, und weil die problemlagen so komplex geworden seien, da bedürfe es immer öfter eines blickes von außen - aber ob man überhaupt schon reden könne, ob das band schon laufe?

gut: nach außen hin herrsche ja mehr das bild des beraters vor, der die bösen sachen sage. der sage: „ihr braucht weniger leute, ihr seid ineffizient.“ und das sei ja auch richtig, das werde natürlich auch gemacht. „als berater schickst du deine sturmtruppen da rein, d.h. wir gucken uns all eure geschäftsfelder an, wirklich topdown, unterlegen alles mit zahlen, und dann gucken wir mal, ob wir neue geschäftsfelder aufreißen können oder ob wir geschäftsfelder kippen müssen, weil sie einfach nicht rentabel sind. und dann sitzt da der kleine business-analyst und rechnet sich das aus.“

er sei herr bender, hannes bender, oder oliver, „wie sie wollen.“


- geht“s los?
- läuft das ding?
- kann man schon reden?


die key account managerin: ja, sie könne schon sagen: diesen planeten habe sie auch einmal betreten, diesen planeten habe sie sogar bewohnt für eine weile, sie kenne diesen planeten durchaus, habe aber dann von ihm abstand genommen, denn sie habe festgestellt, er sei nicht ohne bleibende wirkung auf sie gewesen, das habe sie festgestellt. sie habe aber mit sich in kontakt bleiben wollen und so habe sie diesen planeten eben wieder verlassen müssen und zwar schnurstracks. das sei dieser agenturplanet gewesen, das sei ihre agenturvergangenheit gewesen, und sie müsse sagen: sie bereue da nichts. ihr tue es nicht leid, daß sie da nicht mehr sei, daß sie in der branche nicht mehr wäre. sie habe hier auf der messe ja ehemalige kollegen getroffen, und sie müsse sagen, denen gehe es gar nicht gut. die stimmung sei ja insgesamt ziemlich schlecht, aber die werbebranche, die habe es am meisten getroffen.


die praktikantin: trotzdem: so eine agenturvergangenheit wie frau mertens hätte sie schon gerne gehabt oder zumindest eine medienvergangenheit, aber sie habe keine agenturvergangenheit und schon gar keine medienvergangenheit. sie sei auch erst eben zurückgekommen. sie sei ja eine weile weggewesen, da könne sie auch gar keine vergangenheit haben. sie wäre expo-tauglich, habe man ihr vor drei jahren gesagt, sie solle auf die expo gehen. sie sei aber nicht auf die expo gegangen, sie sei ja nach amerika, was vielleicht ein fehler gewesen sei. denn jetzt renne sie die ganze zeit mit ihrer amerikavergangenheit herum, wo sie die doch nicht brauchen könne, weil praktikumsstellen würden für eine amerikavergangenheit nicht ausgeschrieben, ja, jetzt würde nur eine agenturvergangenheit was zählen oder zumindest eine unspezifische medienvergangenheit. d.h. eine unspezifische medienvergangenheit wäre auch zu wenig, denn heute brauche man schon spezielle skills, nicht nur sogenannte „soft skills“, nein, spezifische und dazu konkrete erfahrungswerte. aber wie die bekommen, wenn es schon schwierig sei, auch nur eine praktikumsstelle zu finden. ja, es sei schon schwierig genug gewesen, diese stelle hier auf der messe zu bekommen, obwohl das ja nur mehr so ein unbezahlter organisationsjob sei - saftholen, standorganisation und so kram.


der it-supporter: nein, er wolle nicht der techniker sein, wenn man ihn so frage, doch wer frage heutzutage noch nach. lieber liefen sie alle davon, lieber machten alle die flatter, wenn es einmal zu einem problem komme, und er stünde dann allein da. aber er komme immer in diese rolle rein - kaum funktioniere was nicht, werde er gerufen. auseinandersetzen wolle sich niemand mit dem problem. dafür habe man ihn ja, heiße es dann, und hernach könne man denen dann alles erklären, ja nachher könne man denen alles doppelt und dreifach erklären.


die key account managerin: sie habe ja nullkommanull ahnung von betriebswirtschaft gehabt -

der senior associate: „anfangs war auch klar, daß man blöde fragen stellen durfte“ -

die key account managerin : sie habe gleich mit dem controller zusammenarbeiten müssen. sie habe vorher gar nicht gewußt, was controller seien, bzw. hätten die für sie ein rein negatives image gehabt.

der senior associate: anfangs würden einem schon viele begriffe an den kopf geworfen, die man nicht kenne - „mit denen mußt du erstmal umzugehen lernen.“

die key account managerin: sie sei ja quereinsteigerin, komme aus der verlagsabteilung. presseabteilung. jetzt sei sie im grunde vertriebsfrau, d.h. eine art von vertriebsfrau. sie sei eigentlich zuständig für den kundenkontakt, aber da sie ja „b2b“ machten, also „business to business“, müsse man sie als vertriebsfrau bezeichnen.

der senior associate: „nein, so läuft es nicht. wenn du es auswendiglernen mußt, dann brauchst du gar nicht erst anzufangen.“ aber auch er finde es ganz schön absurd, das ganze wording.


die online-redakteurin: oft sei es ihr natürlich unangenehm gewesen zu sagen: „ich arbeite bei sat1“. das sei ihr manchmal echt schwer über die lippen gekommen. obwohl dort eine nette arbeitsatmosphäre herrsche und sie eigentlich auch immer mit netten leuten zusammengekommen sei, von denen man auch nie gedacht hätte, daß sie bei so einem sender arbeiten würden. aber die arbeiteten eben da, nur erzählten sie es wahrscheinlich nicht herum, und so komme man erst gar nicht auf den gedanken.

aber ja, sie müsse schon sagen, sie habe da sehr viele, sehr interessante, aus unterschiedlichen richtungen kommende menschen kennengelernt, und letztendlich sei es eben auch nicht so furchtbar schlimm, bei diesem sender zu arbeiten. dazu kämen noch die sozialleistungen, die einem da geboten würden. das würde man sich ja auch nicht denken, daß ein sender wie sat1 gute leistungen und eine entspannte struktur böte. also freie tage, die man umsetzen könne, flache hierarchien, und eben unheimlich gute leistungen. also letztendlich sei es keine so schlechte sache, wie man von außen vermuten würde, aber trotzdem klinge es selbst in ihren ohren noch merkwürdig, wenn sie sich da sagen höre: „ich arbeite bei sat1.“


der senior associate: anfangs sei er da ja mehr rangegangen mit der haltung - „sozusagen“ - das sei ja nicht er, der den job mache. er spiele vielmehr eine rolle, er spiele vielmehr mit und schaue sich das sozusagen an. oder eine art experiment, das er mit sich durchführe, unter dem motto: mal sehen, wie sich diese welt so anfühlt. das sei eine haltung, die man so nicht durchziehen könne. er würde sagen, nicht länger als zwei wochen durchhalten könne, weil das eben ein job sei, der einen 100% fordere. man könne nicht 16 stunden am tag arbeiten und dem team gegenüber eine emotionale schranke haben, das ginge nicht. zumindest bei ihm nicht. möglicherweise könnten das andere, aber er sei nicht der typ, der 24 stunden eine rolle spiele, nein, das sei er nicht.